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06.06.23
Ein Beitrag von Dr. Peter Loibl, Syndikusrechtsanwalt bei der VOLKSWOHL BUND Lebensversicherung a.G., Dortmund.
Dieser Artikel ist zuvor in der Ausgabe 6/2023 der Fachzeitschrift „VVP Versicherungsvermittlung professionell“ des „Instituts für Wissen in der Wirtschaft“ erschienen.
Beschäftigte in der Versicherungswirtschaft dürfen unter bestimmten Voraussetzungen vertrieblich tätig sein, also auch Versicherungen vermitteln und hierzu beraten. Gilt das auch für diejenigen, die sich noch in der Berufsausbildung befinden? Eine Frage, die für die Auszubildenden von Versicherungsmaklern, Versicherungsvertretern, -beratern und Versicherungsunternehmen relevant ist.
“Frage: Wir sind ein auf die Vermittlung von Krankenversicherungsverträgen spezialisiertes Versicherungsmaklerunternehmen. Einer unserer Schwerpunkte liegt in der Beratung unserer Kunden im Bereich Tarif- bzw. Beitragsoptimierung, also der Beibehaltung bestehender Versicherungsleistungen bei gleichzeitig niedrigerem Beitrag. Mit dem Kunden/VN wird schriftlich vereinbart, dass er bei einem Tarifwechsel (§ 204 VVG) ‒ bezogen auf das letzte Beitragsjahr ‒ die Hälfte der Beitragsersparnis als Honorar (Erfolgshonorar) an uns zahlt.
Wir haben eine unserer sehr guten Auszubildenden (2. Ausbildungsjahr) zu einem Kunden für die Beratung über eine Tarifoptimierung geschickt. Sie verfügt ausbildungsbedingt zwar noch nicht über einen Berufsabschluss, gleichwohl aufgrund interner und externer Schulungen über eine hervorragende Sachkenntnis im Bereich KV/Tarifoptimierung/Tarifwechsel, die so manch Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung nicht haben. Die Auszubildende ist also in unserem Auftrag zum Kunden gefahren und hat sich ihm auch als solche vorgestellt. In Kenntnis ihres Ausbildungsstatus hat sich der Kunde beraten lassen und dem Tarifwechsel zugestimmt. Die Auszubildende hat ein Beratungsprotokoll gefertigt und dem Kunden ausgehändigt. Der Tarifwechsel ist mittlerweile vollzogen.
Nun weigert sich der Kunde, das vereinbarte Honorar zu zahlen. Sein Argument: Als Auszubildende hätte sie nicht vertrieblich tätig sein dürfen, insbesondere ihn nicht beraten dürfen. Und das allein schon aufgrund der Tatsache, dass sie als Auszubildende nicht weitergebildet sein könne, was aber für Versicherungsvermittler und ihre vertrieblich tätigen Angestellten Pflicht sei. Daran ändere nichts, dass er mit der Beratung sehr zufrieden gewesen sei und am Tarifwechsel aufgrund der Beitragsersparnis auch festhalten wolle.
Hat der Kunde recht mit der Aussage, die Auszubildende dürfe nicht vertrieblich tätig sein? Und darf der Kunde die Zahlung des Honorars ‒ trotz schriftlicher Vereinbarung ‒ verweigern, obwohl der Tarifwechsel vollzogen wurde und nach wie vor Bestand hat? Er hat schließlich davon profitiert.”
Antwort: Auszubildende dürfen vertrieblich und damit vermittelnd sowie beratend tätig sein. Es reicht eine angemessene Qualifikation für den punktuellen Bereich ihrer vertrieblichen Tätigkeit aus. Eine Weiterbildungspflicht besteht für sie während ihrer Berufsausbildung nicht.
Nach § 34d Abs. 9 S. 1 und 2 GewO dürfen Gewerbetreibende unmittelbar bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkende Personen nur beschäftigen, wenn sie deren Zuverlässigkeit geprüft haben und sicherstellen, dass diese Personen über die für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung sachgerechte Qualifikation verfügen und sich in einem Umfang von 15 Stunden je Kalenderjahr gemäß den normativen Vorgaben weiterbilden. Auskunft über die persönliche Zuverlässigkeit (vgl. hierzu § 34d Abs. 5 S. 2 GewO) enthalten das Gewerbezentral- sowie das Bundeszentralregister (Führungszeugnis).
Gemäß 5 Abs. 1 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sind Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten; das gilt unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden.
Im Einklang mit dem BetrVG sind unter Beschäftigten nach der GewO auch die Angestellten eines Versicherungsmaklers zu fassen, die als nicht selbstständige Personen keiner eigenen Erlaubnis bedürfen (vgl. Ennuschat, Wank, Winkler, GewO, 9. Aufl., München 2020, § 34d, Rz. 170). Eine Einschränkung oder Relativierung bezüglich der vertrieblichen Mitwirkungsmöglichkeit enthält die GewO speziell für Auszubildende nicht. Das gilt für alle Gesetze, die Auszubildende in ihrem Geltungsbereich ausdrücklich einbeziehen (z. B. das Berufsbildungsgesetz) sowie für alle anderen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Gesetze. Somit gelten Auszubildende als Beschäftigte im normativen Sinn, insbesondere nach der GewO.
Unmittelbar bei der Vermittlung bzw. Beratung mitwirken solche Beschäftigte, die dabei vor Ort beim Kunden, aber auch vom Büro/von zu Hause aus elektronisch oder telefonisch sowohl eigenverantwortlich als auch den Makler lediglich unterstützend tätig sind. Entscheidend ist ein Kundenkontakt am point of sale/point of advice mit der Möglichkeit, eine Empfehlung zu einer materiell-rechtlichen Änderung des bestehenden Versicherungsvertrages oder zu einem Neuabschluss abzugeben.
Lediglich untergeordnete Hilfstätigkeiten bzw. generell vorbereitende Tätigkeiten sind nicht von § 34d Abs. 9 S. 1 GewO erfasst, wie etwa das Versenden von Vertragsformularen, Informations- und Werbematerialien, Buchhaltung, Prämienanforderungen und -überwachung (Landmann/Rohmer, GewO, München, Stand: September 2021, 78. EL, April 2018, § 34d, Rz. 241; Ennuschat, Wank, Winkler, a.a.O., § 34d, Rz. 170; GDV, IDD-FAQ, Stand 19.10.2018, Nr. 15).
Dass Auszubildende eigenverantwortlich vertrieblich eingesetzt werden können, zeigt die obige Leserfrage. Doch dürfen sie das auch so ohne Weiteres? Wie muss bei ihnen das grundsätzliche Erfordernis der sachgerechten Qualifikation und Weiterbildung nach § 34d Abs. 9 S. 1 und 2 GewO eingeordnet werden?
Zunächst ist festzuhalten: Beschäftigte eines Vermittlerbetriebs benötigen selbst keine gewerberechtliche Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung. Deshalb müssen sie auch keine vor der IHK erfolgreich abgelegte Prüfung nachweisen, dass sie die für die Versicherungsvermittlung und -beratung notwendige Sachkunde über die versicherungsfachlichen, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Angebotsformen und Leistungsumfang, und die rechtlichen Grundlagen sowie die Kundenberatung besitzen (vgl. § 34d Abs. 5 S. 1 Nr. 4 GewO).
Das bedeutet, dass die notwendige Sachkunde von Gewerbetreibenden, für die eine Prüfung abgelegt werden muss und Grundlage für die Erteilung der Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO ist, von der erforderlichen Sachkunde (§ 34d Abs. 9 S. 6 GewO) und damit von der sachgerechten Qualifikation (§ 34d Abs. 9 S. 1 GewO) ihrer Beschäftigten unterschieden werden muss. Was aber genau bedeutet sachgerechte Qualifikation?
Sowohl die GewO als auch das VAG, auf das § 34d GewO an verschiedenen Stellen Bezug nimmt, konkretisieren die sachgerechte Qualifikation als eine solche, die angemessen sein muss. So ist für die Sicherstellung der sachgerechten Qualifikation nach § 34d Abs. 9 S. 1 GewO erforderlich, dass die direkt bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkenden Personen über eine die für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung angemessene Qualifikation verfügen und zuverlässig sind (Ennuschat, Wank, Winkler, a.a.O., § 34d, Rz. 172).
Nach § 48 Abs. 2 S. 3 VAG richtet sich die Angemessenheit der Qualifikation ‒ was gleichermaßen für die einschlägigen Normen der GewO gilt ‒ nach den Anforderungen im Zusammenhang mit den von den beteiligten Angestellten vertriebenen Produkten. Eine allumfassende Ausbildung ist also nicht erforderlich. Vielmehr soll eine angemessene Qualifikation es auch nach kurzer Zeit seit Beginn einer Vermittlungstätigkeit möglich machen, punktuell Versicherungsverträge zu vermitteln bzw. zu diesen zu beraten; damit soll branchenfremden Personen der Einstieg in die Versicherungsvermittlung erleichtert werden (Brand, Baroch Castellvi, VAG, 1. Aufl., Baden-Baden 2018, § 48, Rz. 44).
Die Sicherstellung und Überprüfung der angemessenen Qualifikation obliegt allein dem Versicherungsmakler für die betreffenden Beschäftigten. Laut Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung wird ihm als Arbeitgeber die Art und Weise der angemessenen Qualifikation nicht vorgeschrieben. Möglich sind etwa speziell auf den Beschäftigten zugeschnittene interne oder externe Schulungen.
Wichtig: Für die sachgerechte und damit angemessene Qualifikation ist nach herrschender Auffassung eine Sachkundeprüfung mithin nicht erforderlich (BT-Drs. 16/1935, S. 20; Ennuschat, Wank, Winkler, a.a.O., § 34d, Rz. 172; GDV, IDD-FAQ, a.a.O., Nr. 19; Brand, Baroch Castellvi, a.a.O., § 48, Rz. 44; Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., München 2021, § 34d GewO, Rz. 72; a. A. Schönleiter in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 34d, Rz. 168: Er meint, dass sich die Tätigkeit eines Auszubildenden entsprechend seinem Ausbildungsstand auf eine die eigentliche Vermittlungstätigkeit vorbereitende Hilfs- oder unterstützende Tätigkeit beschränken muss, wie z. B. Kundendaten aufnehmen; auch die nach § 61 Abs. 1 S. 2 VVG vorgegebene Dokumentation dürfe nur vom Vermittler selbst, keinesfalls von dem Auszubildenden unterzeichnet werden. Schönleiter klammert jedoch aus, dass der Gesetzgeber hier „nur“ auf eine angemessene Qualifikation abstellt und auch keine Unterscheidung in Beschäftigte/Angestellte auf der einen und „nur“ Auszubildende auf der anderen Seite trifft.).
Verschiedene Institutionen aus der Versicherungswirtschaft haben sich zum Thema „Weiterbildungspflicht für Auszubildende“ konkret geäußert, und das einheitlich: Im Rahmen ihres Ausbildungsverhältnisses gibt es für Auszubildende keine Pflicht zur Weiterbildung. Außerdem dürfen sie ‒ bei angemessener Qualifikation ‒ bereits vertrieblich tätig sein, selbst außerhalb ihres Ausbildungsverhältnisses (und nur dann unterliegen sie der Weiterbildungspflicht).
So schreibt der Berufsbildungsverband „Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) e. V.“ sehr deutlich: „Wird der oder die Auszubildende während der Ausbildung vertrieblich tätig, ist eine angemessene Qualifikation vor dem Tätigwerden sicherzustellen (§ 48 VAG; § 34d Abs. 9 GewO). Aufgrund der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses unterliegen Auszubildende bei Tätigkeiten im Rahmen ihrer Berufsausbildung nicht der Weiterbildungspflicht. Sind Auszubildende außerhalb des Ausbildungsverhältnisses zusätzlich noch vertrieblich tätig, unterliegen sie der Weiterbildungspflicht.“ (Broschüre „Anrechnungsregeln: Branchenstandard zur Umsetzung der gesetzlichen Weiterbildungsverpflichtung und der Initiative gut beraten“, Stand: Januar 2023, Ziffer 1.3, Seite 9). Damit steht der Verband im Einklang mit den nachfolgenden Meinungen der führenden Institutionen der Branche.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) äußern sich in ihren gemeinsamen FAQ zur Weiterbildungsverpflichtung nach § 34d Abs. 9 S. 2 GewO bzw. § 48 Abs. 2 VAG (Stand: 02.11.2021). Dort heißt es in Ziffer 1., Seite 3: „Aufgrund der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses unterliegt der Auszubildende bei Tätigkeiten im Rahmen seiner Berufsausbildung nicht der Weiterbildungspflicht. Ist der Auszubildende außerhalb des Ausbildungsverhältnisses zusätzlich noch vertrieblich tätig, unterliegt er der Weiterbildungspflicht.“ Eine vertriebliche Tätigkeit auch innerhalb des Ausbildungsverhältnisses schließen die DIHK und BaFin also nicht aus. Damit sagen sie implizit, dass die gesetzlich geforderte angemessene Qualifikation maßgeblich ist, um als Auszubildender vertrieblich tätig sein zu dürfen. Dürften sie dies nicht, würde sich die weitergehende Frage nach einer eventuellen Pflicht zur Weiterbildung für sie ja gar nicht erst stellen.
Ebenso ist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) zu verstehen. Er meint mit Blick auf die einschlägigen Vorschriften betreffend die unmittelbar bei der Vermittlung oder Beratung (also vertrieblich) mitwirkenden Personen, dass eine Weiterbildung bzw. Fortbildung ‒ beide Begriffe sind synonym zu verstehen ‒ bei Auszubildenden, die sich ja in der Erstausbildung befinden, erst für die Jahre in Betracht kommt, die nach Abschluss der Ausbildung liegen (GDV, IDD-FAQ, a.a.O., Nr. 95/96).
Zurück zum Leserfall: Die Auszubildende durfte den Kunden aufgrund ihrer angemessenen Qualifikation im Bereich KV/Tarifoptimierung/Tarifwechsel beraten und infolgedessen ‒ als weitere vertriebliche Tätigkeit ‒ das Beratungsgespräch dokumentieren und die Beratungsdokumentation dem Kunden aushändigen. Eine Unterschrift darunter ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und somit entbehrlich; wäre sie gleichwohl erfolgt, wäre sie unschädlich.
Da der korrekt zustande gekommene Tarifwechsel auch vollzogen wurde und der Kunde sich bei seiner Weigerung zur Zahlung des schriftlich vereinbarten Erfolgshonorars nur auf das Ausbildungsverhältnis als solches und die mangelnde Weiterbildung berufen hat, schuldet er das Honorar (Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sich der Kunde auf eine nicht angemessene Qualifikation und eine daraus resultierende Falschberatung der Auszubildenden berufen hätte; das müsste er aber beweisen.)
Ergänzend kommt Folgendes hinzu: Der Kunde wusste von Anfang an, dass sich die Beratende noch mitten in ihrer Berufsausbildung befand. Er hätte das Beratungsgespräch also ablehnen oder jederzeit abbrechen können, um sich für die Tarifoptimierung anderweitig beraten zu lassen. Beruft der Kunde sich aber erst nach vollzogenem Tarifwechsel darauf, die Auszubildende hätte ihn nicht beraten dürfen ‒ obwohl er mit der Beratung sehr zufrieden war ‒, kann sein Verhalten als widersprüchlich und unzulässig gewertet werden.
Das gilt insbesondere dann, wenn er aufgrund der Beratung erhebliche Vorteile gezogen hat (vgl. Grüneberg, BGB, 82. Aufl., München 2023, § 242, Rz. 59), wie etwa die Ersparnis von Versicherungsbeiträgen bei Beibehaltung der bestehenden Versicherungsleistungen. Denn wer durch sein ihm zurechenbares Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen bei der Gegenseite begründet hat, darf sich hierzu nicht in Widerspruch setzen. Dieser Umstand spricht zusätzlich dafür, dass der Kunde dem Makler das Honorar zahlen muss.
Das vorstehend Gesagte gilt nicht nur für die Auszubildenden von Versicherungsmaklern, sondern auch für Auszubildende von Versicherungsvertretern (Ausschließlichkeitsvermittlern, Mehrfachgeneralagenten, gebundenen Vertretern), Versicherungsberatern und Versicherungsunternehmen entsprechend. All die Auszubildenden
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